Home Office – eine Hassliebe?
- Ana Grujic
- 15. Dez. 2020
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 5. Nov. 2021
Viele von uns arbeiten gerade im Home Office. Wie alles, hat auch diese Medaille zwei Seiten.

Wie können zwei Menschen, die sich einst aufrichtig geliebt haben, irgendwann zu einem ebenso aufrichtigen Hass wechseln? Diese Frage habe ich mir schon oft gestellt. Meistens fängt es mit der Liebe an. Und zwar einer kribbelnden, elektrisierenden, erfüllenden, aufregenden Liebe. Danach kommt irgendwann der Fall und die Liebe ist nicht nur weg, sondern sie schwindet einem ebenso aufrichtigen Hass.
Das Wort Hass zu benutzen, ist für mich schwierig. Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich dieses Gefühl je wirklich in seiner ganzen Wucht gespürt habe. Aber ein bisschen eben schon auch und zwar gerade erst kürzlich.
Von der Liebe ...
Es fing alles so an: Nachdem im März 2020 unser ganzes Marketing Team ins Home Office verlegt wurde, war ich Hals über Kopf verliebt. Verliebt in die 40 Minuten mehr Schlaf, weil ich nicht mehr pendeln musste. Erfüllt, weil ich jeden Morgen mein Vinyasa Yoga machen konnte. Freudig und elektrisiert, weil ich sogar effizienter und konzentrierter arbeitete – geil, oder? Ja, fand meine Vorgesetzte auch. So, ich hatte mir die rosarote Brille also sehr schnell aufgesetzt. Ich fand sogar, sie steht mir gut. Ich dachte, es würde lange so weiter gehen und dass ich durch diese Flexibilität im Home Office nun mehr Work-Life Balance habe, kurz: ein gesünderes Leben führe.
Und so war diese neue Liebesbeziehung für lange Zeit sehr erfüllend. Betonung auf war. Denn seit einiger Zeit verliert meine Brille ihre rosarote Farbe und die Realität schleicht sich in ihren Grautönen heran. Sie flüstert: «Aua, diese Rückenschmerzen! Es ist doch nicht so bequem, für Stunden auf einem Küchenstuhl zu sitzen.» Da hilft mir auch mein morgendliches Yoga nicht. Oder die harsche Realität seufzt: «Gell, es wäre schon schön, wenn diese Sonnenblume neben dem Laptop mit dir quatschen könnte?» Oh ja, das wäre es. Und weisst du, wann diese Realität sich am meisten ins Fäustchen lacht? Wenn ich nach Ende eines Online-Team-Apéros zap bum abrupt allein mit einem Glas Wein in der Hand dasitze – und mir schlagartig total absurd vorkomme.
... zum Hass?
Meine anfänglich so euphorische Liebe zum Home Office ist also weg. Wenn es so weiter geht – über Monate und Monate – folgt dann gezwungenermassen irgendwann der Hass zu meinem einst so geliebten Home Office?
Ich weiss es nicht. Wie ich so vieles momentan gerade einfach nicht weiss. Wird unser Alltag irgendwann wieder, wie er es einmal war? Ich weiss es nicht. Werden die negativen Schlagzeilen bald mal weniger? Wie schlimm ist dieser Covid-19 wirklich? Weiss ich ebenfalls nicht. Wird 3+ das immer desaströser werdende Format «Der Bachelor» endlich abschaffen? Auch das weiss ich leider einfach nicht.
Etwas weiss ich aber ganz bestimmt: Der Kaffee zwischendurch im Büro, das Lächeln auf dem Gang oder sogar das Augenrollen in einem zu lange dauernden Meeting – all das sind kleine Dinge, die fehlen. Details, die uns beflügelt haben, die zeigten «alles ist in Ordnung, alles ist normal». Und wie das oft im Leben so ist, sehen wir die Schönheit der Sachen erst, wenn sie nicht mehr da sind.
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